Digitalisierung begleitet uns bereits seit circa hundert Jahren. Allerdings ist inzwischen nicht mehr klar definiert, was genau mit Digitalisierung eigentlich gemeint ist. Jedem dürfte jedoch klar sein, dass an der Digitalisierung und den damit verbundenen Technologien kein Weg mehr vorbeiführt. Doch Digitalisierung dient nicht etwa einem Selbstzweck. Vielmehr lassen sich mit ihrer Hilfe neue Möglichkeiten, für die Erreichung eigener Ziele identifizieren und nutzen.
Was Digitalisierung nicht (mehr) bedeutet
Wenn wir über das Thema Digitalisierung sprechen, beziehen wir uns immer seltener auf die ursprüngliche Bedeutung – das Überführen analoger Informationen in digitale Formate. Im technischen Sinne liegen uns also Informationen zu einem bestimmten Zeitpunkt in Form von definierten, abzählbaren Zuständen vor. Im Gegensatz zur analogen, konstanten Welt, in der sich beliebig viele Zwischenzustände abbilden lassen, ist die digitale Welt also zeit- und wertdiskret.
Doch genug von meinem Ingenieur-Ich. Mein Organisationsentwickler-Ich übernimmt ab hier. Im unternehmerischen Kontext beschreibt Digitalisierung oft die Verarbeitung von (häufig bereits in digitaler Form vorliegenden) Daten und das Nutzen von Technologie für wirtschaftliche Zwecke.
Um etwas mehr Struktur in die Diskussion zu bringen, möchte ich auf zwei Ansätze eingehen: Digitalisierung im Geschäftsmodell und Digitalisierung operativer Abläufe.
Digitalisierung des Geschäftsmodells
Durch die Industrialisierung und Globalisierung ist es bei vielen Produkten möglich, große Mengen in kurzer Zeit herzustellen. Käufer können aus einer Vielzahl von Anbietern wählen und Informationen zu Angeboten sind einfach und schnell verfügbar. Die Anforderungen Ihrer Kunden haben sich entsprechend entwickelt und bedingen eine Anpassung des Geschäftsmodells.
Die Herstellung und Lieferung eines Kernprodukts reicht heute selten aus, um Ihren Kunden gegenüber ein Werteversprechen abzugeben, welches ihr Angebot vom Wettbewerb abhebt. Digitalisierung lässt sich nutzen, um zusätzliche Mehrwerte zu generieren und das Nutzererlebnis zu intensivieren. Mit Hilfe von Technologie lässt sich für Ihre Kunden zum Beispiel, ein einfach zu erreichender Produktsupport gewährleisten. Abbildungen und Beschreibungen in Bedienungsanleitungen, können durch Videomaterial ergänzt werden, welches jederzeit abrufbar ist. Kameras in Mobiltelefon erlauben einen erweiterten telefonischen Support – Ihre Mitarbeitenden können sich ein Bild machen, ohne vor Ort sein zu müssen. Technologien wie Augmented Reality können den Mehrwert bei komplexen Produkten erhöhen. Ihre Kunden benötigen lediglich ein Mobiltelefon mit Kamera um loszulegen. Ein Anbieter solcher Lösungen ist z.B. TeamViewer mit dem Produkt TeamViewer Pilot / Assist AR [Link]
Auch bezogen auf die Absatz- und Beschaffungskanäle bietet Digitalisierung neue Chancen. Ihr potentieller Kundenkreis lässt sich mit Hilfe von Handelsplattformen erweitern und Sie können auf eine Vielzahl an Lieferanten zugreifen, die wiederum im gegenseitigen Wettbewerb stehen. So stehen Sie in keiner Abhängigkeit zu einzelnen Lieferanten und können durch größere Abnahmemengen bessere Preise erzielen. Eine weitere Option im Geschäftsmodell ist das so genannte Dropshipping. Durch die Vernetzung und fast verzögerungsfreie Datenübertragung, lassen sich Waren an Ihre Kunden liefern, ohne dass Sie hierfür Lagerkapazitäten vorhalten müssen.
Die Gesellschaft und Ihre Kundschaft unterliegen einem dauerhaften Wandel und stetiger Weiterentwicklung. Stimmen Sie Ihr Geschäftsmodell darauf ab. Voraussetzung hierfür sind kontinuierliche Beobachtungen. Sie müssen natürlich nicht jedem Ihrer Kunden einen Besuch abstatten. Aber Digitalisierung kann Ihnen helfen, Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Der Zugang zu aktuellen Marktforschungsberichten ist in vielen Branchen problemlos möglich. Und wenn Sie Wert auf ein direkteres Feedback legen oder auf der Suche nach spezifischen Informationen sind, so ist auch das möglich. Führen Sie Online Umfragen durch oder sorgen Sie dafür, dass ihr Produkt Nutzerverhalten erfassen kann.
Egal für welche Form der Beobachtung Sie sich entscheiden. Die erhobenen Daten liegen Ihnen in digitaler Form vor und lassen sich meist mit wenig Aufwand visualisieren und auswerten. Algorithmen und künstliche Intelligenz können dabei helfen, Muster schneller zu erkennen und daraus Schlussfolgerungen abzuleiten.
Digitalisierung operativer Abläufe
Die genannten Beispiele sind ein paar der Möglichkeiten, die sich durch Digitalisierung ergeben und bei weitem nicht vollständig. Gleiches gilt für die nachfolgenden Ansätze. Ich habe beispielhaft einige aktuelle Herausforderungen aufgegriffen und potentielle Lösungsansätze skizziert.
Haben auch Sie Probleme, geeignetes Personal zu finden? Dann geht es Ihnen, wie etwa der Hälfte der mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Digitalisierung kann dazu beitragen, dieser Herausforderung zu begegnen. Maschinen werden schon lange genutzt, um Fertigungslinien zu automatisieren. Aber auch im administrativen Bereich lassen sich Technologien nutzen. Die Robotic Process Automation (RPA) beispielsweise setzt nicht auf physische Roboter, sondern nutzt Software, um die Bedienung von Anwendungen und die damit verbundenen Eingaben am Rechner zu automatisieren. Dadurch können Mitarbeitende von administrativen Aufgaben entlastet werden. Geeignete Schulungen und Weiterbildungen vorausgesetzt, lassen sich so Mitarbeitende aus administrativen Bereichen in operativen Bereichen einsetzen, wo sie einen größeren Mehrwert für Ihre Kunden generieren können. Wichtig ist, das Schreckensbild abzulegen, dass Automatisierung Arbeitskräfte überflüssig macht. Vielmehr erlaubt die Automatisierung weiteres Wachstum und Bestehen am Markt, wie ich auch in diesem LinkedIn Artikel beschrieben habe: [Technologie als Chance verstehen]
Auch das Thema New-Work fällt immer häufiger im Zusammenhand mit Fachkräften. Spätestens seit Lockerung der Corona Maßnahmen stellen Unternehmen fest, dass ein komfortabel eingerichtetes Einzelbüro Mitarbeiter weder motivieren, noch halten kann. Junge Menschen wollen selbstbestimmt arbeiten. Neben einer vertrauensvollen Unternehmenskultur, benötigen Sie hierfür – ja Sie ahnen es schon – Technologie. Und auch hier sollten Schnellschüsse vermieden werden. Bei Ihrem Bestreben, Informationen für Ihre Mitarbeitenden von überall aus verfügbar zu machen und Prozesse so anzupassen, dass örtliche und zeitliche Restriktionen aufgehoben werden, dürfen Sie Aspekte wie Cybersecurity, Datenschutz und weitere gesetzliche Rahmenbedingungen wie das Arbeitszeitgesetz nicht außer Acht lassen.
Digitalisierung löst keine Probleme sondern bietet neue Optionen
Je intensiver Sie sich mit Technologien befassen, desto mehr Anwendungsfälle werden Ihnen einfallen. Möglichkeiten gibt es viele. Doch bedenken Sie: Digitalisierung ist kein Wundermittel. Das Erkennen von Chancen und Risiken und deren Berücksichtigung in Ihrer Unternehmensstrategie obliegt Ihnen als Unternehmer. Technologie erweitert zwar Ihren Radius für potentielle Lösungen. Die erforderliche Kreativität und den Weitblick, um zu bewerten ob Lösungen in Ihr Unternehmen passen, kann Ihnen aber auch Digitalisierung nicht abnehmen. Ebenso wenig wie die erfolgreiche Umsetzung dieser Ideen in Ihrer Organisation.
Je nachdem mit welchen Voraussetzungen Sie in diesen Wandel einsteigen, ist der für Sie beste Weg zum Ziel entweder inkrementelle kleine Verbesserungen oder ein umfangreiches Projekt, welches Ihrem Unternehmen und den Mitarbeitenden das Ablegen bestehender Denkmuster abverlangt. In beiden Fällen sollten Sie systematisch vorgehen. Externe Unterstützung kann Ihnen dabei helfen, Chancen und Risiken taktisch und unvoreingenommen abzuwägen und die Umsetzung zu begleiten. So reduzieren Sie das Risiko, in alte Denkmuster zurückzufallen.
Unterliegen Sie nicht dem Irrglauben, dass Ihr Fortschritt gefährdet sei, nur weil sie technologisch nicht auf dem neuesten Stand sind. Technologie kann Ihren unternehmerischen Fortschritt unterstützen und beschleunigen. In welche Richtung es für Sie gehen soll, müssen Sie jedoch selbst erarbeiten. Wenn Sie sich ohne Ziel und Konzept auf Technologien stürzen, dient Ihre Digitalisierung ausschließlich dem Selbstzweck, nicht aber der Entwicklung Ihres Unternehmens.
Bildnachweis:
Who is Danny / stock.adobe.com