„Jedes Unternehmen wird zum Softwareunternehmen“ – Diese moderne Management Weisheit kennt ihr vielleicht. Aber heißt das jetzt, dass wir das eigene Leistungsangebot komplett ändern müssen? Brauchen wir in Zukunft vielleicht sogar noch (mehr) Software Entwickler im Unternehmen? Und ist das eigentlich eine Aufgabe für die IT-Abteilung? In diesem Artikel möchte ich dazu anregen, Rollen in Bezug auf Digitalisierung zu überdenken.

Warum jedes Unternehmen zum Software Unternehmen wird

Gibt es noch Unternehmen, die ganz ohne Software auskommen? Ich denke nicht – Selbst „konservative“ Unternehmen, die ich kennenlernen durfte, haben bei näherem Hinsehen eine beachtliche Landschaft an Softwarelösungen. Oft ist diese lediglich nicht geplant. Vieles wurde über die Zeit eingeführt. Das Resultat: Es fehlt der Überblick über das digitale Inventar und oft bleiben viele Möglichkeiten der vorhandenen Systeme ungenutzt. Und genau hier steckt viel Potential für die Organisationsentwicklung und die Optimierung der Zusammenarbeit im Team.

In sofern sollte die Botschaft „Jedes Unternehmen wird zum Software Unternehmen“ nicht falsch verstanden werden. Es geht nicht darum, dass Firmen nun selbst Software entwickeln oder verkaufen müssen. Vielmehr bietet Digitalisierung, Optionen für neue Geschäftsmodelle und Optimierung von Prozessen. Software ist zudem ein essentielles Werkzeug, um mit den zunehmenden Mengen an Daten und Informationen im eigenen Unternehmen und im Markt umzugehen. Und das macht schlussendlich alle zu betroffenen – unabhängig von der Branche und dem Geschäftsmodell.

Software wird zugänglicher auch für Nicht-Experten

In der digitalen Welt hat sich ein bemerkenswerter Wandel vollzogen: Software ist heute zugänglicher und benutzerfreundlicher als je zuvor. Früher war die Entwicklung und Integration von Softwarelösungen eine Aufgabe, die erfahrene Programmierer erforderte. Heutzutage jedoch stehen auch Anwendern, die keine tiefgreifenden Programmierkenntnisse besitzen, viele Möglichkeiten offen.

Ein wesentlicher Treiber dieses Wandels ist die Verbreitung von APIs (Application Programming Interfaces), die es ermöglichen, Software nahtlos in bestehende Systeme zu integrieren. APIs erleichtern den Datenaustausch zwischen verschiedenen Lösungen und die Abbildung von Prozessen, die auf mehrere Software Tools angewiesen sind. Unternehmen wie IFTTT und Zapier haben Plattformen geschaffen, die es Benutzern ermöglichen, verschiedene Anwendungen miteinander zu verknüpfen und Automatisierungen ohne umfangreiche Programmierkenntnisse zu erstellen. Und häufig kommt man auch schon ohne zusätzliche Plattformen aus. Microsoft hat mit Power Automate beispielsweise eine Lösung für Unternehmen, die ohnehin schon im Microsoft 365 Universum unterwegs sind.

Diese Entwicklungen im Bereich No-Code- und Low-Code Lösungen haben Automatisierungen einer breiten Gruppe von Nutzern zugänglich gemacht. Menschen ohne Programmierkenntnisse können Anwendungen erstellen und auch komplexere Workflows  automatisieren. Von einfachen Website-Buildern bis hin zu komplexen Unternehmensanwendungen bieten No-Code- und Low-Code-Tools eine Vielzahl von Möglichkeiten für die schnelle Entwicklung von Softwarelösungen.

Die Benutzeroberflächen von Softwareanwendungen sind ebenfalls deutlich intuitiver geworden. Durch eine verbesserte Benutzerführung und ansprechendes Design können auch Nicht-Experten Software effizient nutzen. Darüber hinaus, haben Plattformen wie YouTube und Foren es Benutzern ermöglicht, Wissen auszutauschen und voneinander zu lernen. Tutorials, Schulungsvideos und Online-Communities bieten eine Fülle von Ressourcen für Menschen, die sich mit Software und Automatisierung befassen und eigene Fähigkeiten individuell und autark weiter ausbauen möchten. Die neusten Entwicklungen bei KI-Modellen wie ChatGPT können helfen dabei, Skripte und Automatisierungen noch schneller und einfacher umzusetzen, sofern man bereit ist, sich damit auseinanderzusetzen.

Insgesamt hat die steigende Benutzerfreundlichkeit und Zugänglichkeit von Software dazu geführt, dass die Grenzen zwischen Entwicklern und Nicht-Entwicklern immer mehr verschwimmen. Unternehmen können nun von einem breiteren Pool von Talenten profitieren, um innovative Lösungen zu entwickeln und sich den Herausforderungen der digitalen Transformation zu stellen.

Neue Chancen, Neue Herausforderungen, Neue Risiken

Diese Entwicklung birgt sowohl Chancen als auch Herausforderungen für die Organisations- und Teamentwicklung in Unternehmen. Einerseits eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Optimierung von Prozessen, die Verbesserung der Zusammenarbeit im Team und die Steigerung der Effizienz durch Automatisierung und Integration verschiedener Anwendungen. Andererseits stehen Unternehmen vor der Herausforderung, mit dem rapiden Wandel mitzuhalten, die digitale Kompetenz ihrer Mitarbeitenden zu entwickeln und zu erhalten und einen Rahmen schaffen, der es interessierten Mitarbeitenden ermöglicht, Experimente durchzuführen.

Infografik zeigt Chancen und Risiken der Software-Demokratisierung

Chancen:

  • Effizienzsteigerung und Prozessoptimierung: Die Möglichkeit, verschiedene Softwarelösungen miteinander zu verknüpfen und Automatisierungen zu erstellen, ermöglicht es Unternehmen, ihre Arbeitsabläufe zu optimieren und manuelle Aufgaben zu reduzieren.
  • Verbesserte Zusammenarbeit und Kommunikation: Intuitive Benutzeroberflächen und die Integration verschiedener Kommunikations- und Kollaborationstools erleichtern die Zusammenarbeit im Team und ermöglichen eine nahtlose Kommunikation über Abteilungsgrenzen hinweg. Und das nicht nur in der Anwendung, sondern auch schon während der Entwicklung und Erprobung von Automatisierungen.
  • Innovationsförderung: Die zunehmende Zugänglichkeit ermöglicht es einem breiteren Pool von Mitarbeitern, innovative Lösungen zu entwickeln und umzusetzen, was die Innovationskraft des Unternehmens stärken kann.
  • Höhere Anpassungsgeschwindigkeit: Die Verfügbarkeit von No-Code- und Low-Code-Tools ermöglicht es Teams, schnell Prototypen zu erstellen und neue Ideen und Anpassungen zu testen, ohne auf umfangreiche Entwicklungsressourcen angewiesen zu sein.

Herausforderungen und Risiken:

  • Digitale Kompetenzlücken: Nicht alle Mitarbeiter verfügen über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse, um die neuen Tools und Technologien effektiv zu nutzen. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Mitarbeiter entsprechend zu schulen und weiterzubilden, um digitale Kompetenzlücken zu schließen.
  • Schatten-IT und Insellösungen: Die Verwendung von nicht genehmigten Softwarelösungen und Insellösungen durch einzelne Mitarbeiter oder Teams kann zu einer Fragmentierung der IT-Landschaft führen, und die Skalierbarkeit und Integration erschweren. Es ist wichtig, einen ausgewogenen Ansatz zwischen Flexibilität und Standardisierung zu finden.
  • Cyber-Sicherheit: Darüber hinaus, kann die zunehmend komplexe IT-Landschaft zu einem höheren Risiko von Cyberangriffen und Datenschutzverletzungen führen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Systeme und Daten angemessen geschützt sind und entsprechende Sicherheitsmaßnahmen implementieren.
  • Unterschiedliche, individuelle Entwicklung: Die schnelle Einführung neuer Technologien und Tools kann zu einer Überforderung der Mitarbeiter führen, die möglicherweise nicht mit den neuesten Entwicklungen Schritt halten können. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter den Umgang mit Technologie erlernen und die notwendige Unterstützung erhalten, um sich weiterzuentwickeln.

Das Realisieren der Chancen und die Bewältigung der Herausforderungen erfordern eine ganzheitliche und strategische Herangehensweise an die Organisations- und Teamentwicklung. Dies schließt die Entwicklung einer klaren digitalen Strategie, die Förderung einer digitalen Kultur und die Investition in die Weiterbildung und Entwicklung der Mitarbeiter ein. In diesem Kontext ändert sich auch die Rolle von IT-Experten und Abteilungen innerhalb von Organisationen, wie im nächsten Abschnitt näher erläutert wird.

Die Rolle der IT-Experten

Die zunehmende Digitalisierung und die Demokratisierung von Softwareentwicklung und Automatisierung führen zu einer Veränderung der Rolle von IT-Experten innerhalb von Unternehmen. Während traditionell die IT-Abteilung für die Bereitstellung und Wartung von IT-Lösungen verantwortlich war, verschiebt sich der Fokus nun hin zu anderen Aufgaben:

  • Compliance und IT-Sicherheit: Angesichts der wachsenden Bedrohungen im Bereich der Cyber-Sicherheit und der steigenden Anforderungen an die Einhaltung von Datenschutzvorschriften wie der DSGVO, gewinnt die Rolle der IT-Experten bei der Gewährleistung der Sicherheit und Compliance von IT-Systemen und -Daten an Bedeutung. Sie sind dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass die Systeme und Daten eines Unternehmens, angemessen geschützt sind und dass die geltenden Vorschriften eingehalten werden. Bei der Umsetzung und Einhaltung von Sicherheits- und Compliance-Vorschriften sind sie auf die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden in allen Bereichen des Unternehmens angewiesen. IT-Experten spielen somit eine entscheidende Rolle bei der Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeitenden für diese Bereiche.
  • Schulung von Mitarbeitenden:  Sie müssen sicherstellen, dass die Mitarbeitenden die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse haben, um sicher mit den, vom Unternehmen freigegebenen Lösungen umzugehen. Je nach Organisationsgröße bieten sich hierfür auch Expertenkreise und Train-the-Trainer Lösungen an, um das notwendige Wissen aus dem IT-Fachbereich in die betroffenen Unternehmensbereiche weiterzutragen.
  • Dezentralisierung der IT: Mit der zunehmenden Verlagerung von IT-Aufgaben in die einzelnen Teams und Abteilungen, verschiebt sich auch die Rolle der zentralen IT-Abteilung. Statt die IT-Lösungen zentral zu etablieren und zu verwalten, unterstützen IT-Experten nun die einzelnen Teams bei der Implementierung, Nutzung und Verbesserung von IT-Lösungen. Sie fungieren als Berater und Unterstützer und stellen sicher, dass die IT-Systeme und -Lösungen den Anforderungen der einzelnen Teams entsprechen. Hierzu ist auch auf der Ebene der IT-Experten, ein Verständnis für die Prozesse und besonderen Anforderungen der einzelnen Unternehmensbereiche zu schaffen.

Insgesamt erweitert sich das Aufgabenspektrum von IT-Experten, von rein technischen Aufgaben, hin zu strategischen und beratenden Funktionen. Sie werden zu wichtigen Partnern für die verschiedenen Bereiche des Unternehmens und tragen maßgeblich dazu bei, die digitale Transformation voranzutreiben und den Unternehmenserfolg zu unterstützen. Demokratisierung von Software ist also ein Change- und Entwicklungsprozess, der weitreichende Teile der Organisation betreffen kann (je nachdem mit welcher Geschwindigkeit sie vorgehen möchten und können) und entsprechend geplant und begleitet werden sollte.

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Published On: 26. März 2025 / Categories: Digitalisierung, Innovation /