Wie lassen sich Ziele und Kennzahlen im Rahmen der Organisationsentwicklung nutzen? Zuallererst sollte überprüft werden, ob gewählte Maßnahmen die gewünschten Effekte in der Organisation erreichen, ohne dabei in einem Meer an Kennzahlen unterzugehen. Diese haben dabei eine Orientierungs- und Erkenntnisfunktion. Zahlensysteme, die diese Funktion nicht erfüllen, sind nichts anderes als Verschwendung von Ressourcen.

Der Zweck von Zielen und KPIs

Ziele und KPI haben durchaus Gemeinsamkeiten – doch sie dienen unterschiedlichen Zwecken. Beginnen wir mit den Gemeinsamkeiten: Typischerweise sind sowohl KPI als auch Ziele quantifizierbar. Es ist zwar häufig von qualitativen Zielen die Rede, aber aus meiner Erfahrung handelt es sich hierbei oft um Pseudo-Ziele, Meilensteine oder Maßnahmen, die dem Erreichen konkreter Ziele dienen. Als weitere Gemeinsamkeit gilt, dass sowohl Ziele als auch KPI Steuerungsgrößen bei der Umsetzung von Strategie darstellen. Und damit kommen wir schon zu den Unterschieden. Denn Ziele und KPI sind auf unterschiedlichen Ebenen der Strategieumsetzung angesiedelt.

Um das Konzept zu verstehen, ist es wichtig, sich einmal Gedanken darüber zu machen, welche Daseinsberechtigung die eigene Organisation hat. Es gibt ganz traditionelle Ansätze in der Betriebswirtschaftslehre, welche die Gewinnmaximierung als oberstes langfristiges Ziel ansehen. Diese Ansicht ist mittlerweile etwas überholt und es gibt andere Ansätze. Unternehmen definieren ihre Daseinsberechtigung in Form einer Vision. Sie ist eine Darstellung dessen, wofür das Unternehmen steht und schafft eine Vorstellung davon, wonach das Unternehmen strebt und welche Veränderungen es bewirken will. Was nicht heißen soll, das Gewinn nicht wichtig sei, denn dieser ermöglicht es Unternehmen, ihrer Vision nachzukommen.

Ziele dienen der Orientierung auf dem Weg zur Vision

Ich möchte das Konzept einmal an der Vision von Ørsted verdeutlichen:

„Let’s create a world that runs entirely on green energy“

Denken wir einmal zurück an die Anfänge des Unternehmens. In 2006 hieß es noch „DONG Energy“. Der Name entstand im Zuge des Zusammenschlusses der „Dansk Olie og Naturgas A/S“ (DONG) und mehrerer Unternehmen im Bereich der elektrischen Energieerzeugung und -Verteilung, die von DONG im Zuge von M&A Aktivitäten Anfang der 2000er Jahre erworben wurden. Zu Beginn war Ørsted eines der kohleintensivsten Unternehmen Europas. Im Rahmen der Strategiearbeit wurde der Unternehmensleitung klar, dass die kohleintensive Erzeugung kein geeigneter Markt für fortschreitendes, nachhaltiges Wachstum darstellt.

Das Bild, wie es in der Vision beschrieben steht, scheint also in weiter Ferne, als das Unternehmen 2008 ankündigt, sich zu einem Erneuerbare-Energien Unternehmen zu transformieren. Um die Transformation zum Unternehmen zu meistern, das dazu beiträgt, eine Welt zu erschaffen, die ausschließlich mit erneuerbarer Energie versorgt wird, war es wichtig, die Aktivitäten des Unternehmens zu konzentrieren. Aber woher wissen Unternehmen und Mitarbeitende, dass sie sich auf dem richtigen Weg befinden, diese Vision zu realisieren? Hier kommen Ziele ins Spiel. Sie sind wie Wegpunkte, die so definiert sind, dass man mit ihrer Hilfe erkennen kann, dass das Unternehmen Fortschritte bei der Erreichung der Vision macht.

Ein einfaches, klassisches Finanzziel wie ein Umsatz- oder Gewinnziel gibt keinen Aufschluss darüber, ob der eingeschlagene Weg richtig ist. Für ein erfolgreiches unternehmerisches Wachstum sollten die Ziele klar an der Vision ausgerichtet sein. In Hinblick auf Finanzziele sei angemerkt, dass Kapital eine Voraussetzung für Wachstum ist. Finanzziele sollten daher zur Sicherstellung der finanziellen Performance dienen und sich an der zu erwartenden Investition für die Erfüllung der Wachstumsvision orientieren.

An die Vision angelehnte Ziele wären zum Beispiel:

  • „Erreichen eines Anteils regenerativer Kapazitäten an der gesamten Erzeugungsleistung von 85% bis 2040“
  • „Bereitstellung von 50 Gigawatt erneuerbarer Energiekapazität bis zum Jahr 2030“.
  • „Reduktion der eigenen Treibhausgasemissionen um 98%, gegenüber 2006 bis zum Jahr 2025“
  • „Eine Steigerung des konzernweiten EBITDA auf 50-55 Mrd. DKK im Jahr 2030“

Bei den oben genannten Zielen handelt es sich übrigens um tatsächlich von Ørsted gewählte Ziele. Weitere Informationen und Links habe ich unten aufgeführt.

Ihre Strategie ist maßgeblich für das Kennzahlensystem

Anknüpfend an die definierten Ziele ist es nun wichtig, eine Strategie zu erstellen. Diese Strategie ist ein Bild dessen, wie das Unternehmen in Zukunft im Markt positioniert ist und dasteht, wenn es die Ziele erfüllt. Dieses Bild hilft auch dabei, einen Handlungsrahmen für Entscheidungen und Veränderungen abzustecken. Wichtig dabei: Um die gewünschten Ziele zu erreichen gibt es unterschiedliche Strategie-Optionen. Jede Option definiert sich durch gewählte Teilaspekte, Hier einige Beispiele, die zum Teil auch Alternativen zueinander darstellen:

  • Durch eine Expansion in neue Märkte, erweitern wir das globale Portfolio an installierter Leistung
  • Die Positionierung als unumstrittene #1 im Bereich Offshore Windenergie ermöglicht es uns, unsere Ziele zu Treibhausgas-Reduktion und der installierten Leistung an erneuerbaren Energien zu erreichen.
  • Das Unternehmen platziert sich als Marktgestalter in neuen Energiesegmenten. Es wird verstärkt in Forschungs- und Pilotprojekte neuer Energieformen investiert.
  • Wir konzentrieren uns auf unser Kerngeschäft und arbeiten partnerschaftlich mit wenigen ausgewählten Lieferanten kontinuierlich daran, Kosten zu senken.

An dieser Stelle ist die Unternehmensleitung gefragt, mögliche Strategieoptionen und -Alternativen zu erarbeiten, zu bewerten und somit den strategischen Rahmen festzulegen. Wie die Organisation sich dann innerhalb dieses Rahmens bewegt, ist eine Frage der Strategie-Umsetzung. Diese Umsetzungsplanung ist einer der wesentlichen Schwerpunkte in der Organisationsentwicklung. Sie sollte auf einer anderen Ebene erarbeitet werden als die strategischen Optionen.

Diese Ebene, die näher am operativen Geschäft angesiedelt ist, ist dann auch dafür verantwortlich, Kennzahlensysteme zu schaffen, die erkennen lassen, ob die gewählte Strategie tatsächlich die Ziele erreichen kann oder ob sie (evtl. aufgrund sich verändernder Bedingungen des Unternehmensumfeldes) angepasst werden muss.

KPI bilden ein Frühwarnsystem und lassen die Wirksamkeit von Teams sichtbar werden

KPI und Ziele sind beide quantifizierbar, daher besteht in der Praxis eine gewisse Verwechslungsgefahr. Den Zweck der Ziele kennen wir bereits. Hierunter kann es natürlich noch abgeleitete Ziele für einzelne Bereiche, Länder oder Teams geben. Diese stehen aber immer im Zusammenhang mit den o.g. strategischen Zielen.

In Abgrenzung hierzu geht es bei den KPI darum, die kurzfristige Performance bei der Umsetzung der Strategie zu messen. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um „Performance Indicators“, also Leistungsanzeiger. Sie bilden ein Cockpit und erlauben die Leistung von Teams sichtbar zu machen, so dass diese erkennen können, ob ihre Aktivitäten und Ideen Wirkung bei der Erreichung der Ziele zeigen. Dabei wird berücksichtigt, dass jedes Team bzw. jeder Unternehmensbereich andere Möglichkeiten hat, die gewählte Strategie umzusetzen und einen Beitrag zur Erreichung der Ziele zu leisten.

Auch hierzu ein kleines Beispiel: Angenommen, die Spezialisierungsstrategie und Zusammenarbeit mit Lieferanten, wird Teil der Unternehmensstrategie. Dann könnten geeignete Kennzahlen zum Beispiel sein:

  • Reduktion der eingesetzten Lieferanten (Ist so lange sinnvoll, bis ein gesetztes Teilziel, nämlich die Anzahl der Lieferanten für bestimmte Commodities und Services erreicht wird)
  • Anzahl der geführten Lieferantengespräche zur Kostenoptimierung
  • Anzahl der mit Lieferanten erarbeiteten Verbesserungsmaßnahmen
  • Erzielte Kosteneinsparungen durch durchgeführte Verbesserungsmaßnahmen

Diese oder ähnliche Kennzahlen sind sowohl an die Strategie angelehnt, als auch an das übergeordnete Ziel, EBITDA von 50-55 Mrd. DKK bis 2030 zu erreichen. Alternativ könnte man diese Kennzahl auch noch anpassen und nicht nur von Kosteneinsparungen mit spezialisierten Schlüssellieferanten sprechen, sondern auch über mögliche CO2 Einsparungen.

Die Kennzahl „Reduktion der eingesetzten Lieferanten“ ist übrigens nur in der Phase der Reduzierung von Anbietern, von besonderer Relevanz. Haben Sie das damit verbundene Teilziel erreicht, könnte diese Kennzahl entfallen. Jedoch könnte die „Anzahl der bestehenden Lieferanten“ auch weiterhin eine Kennzahl sein, die Sie sich möglicherweise in ad-hoc Auswertungen anschauen, oder eine Daseinsberechtigung als operativer „Process Performance Indicator“ hat. Aber sie verliert ein wenig die Bedeutung als Schlüssel zum Verfolgen und Erreichen der Strategischen Ziele. Mit dieser Verdeutlichung sollte auch die Abgrenzung von KPI zu anderen Kennzahlen nochmal deutlich werden.

Fazit und Praxistipps

Die effektive Nutzung von Zielen und Kennzahlen, ist in der Organisationsentwicklung ein entscheidendes Erfolgskriterium. Indem Sie dieses Konzept gezielt einsetzen, können Sie nicht nur den Fortschritt Ihrer Organisation in Richtung Ihrer Ziele verfolgen, sondern auch die Wirksamkeit Ihrer Strategien und Aktivitäten messen. Hier sind einige wichtige Hinweise und Praxistipps für die Anwendung:

  1. Verknüpfung mit der Vision: Ziele sollten immer an Ihrer Vision ausgerichtet sein. Stellen Sie sicher, dass jedes Ziel dazu beiträgt, die Vision zu erreichen. Das beinhaltet finanzielle und nicht-finanzielle Ziele.
  2. Klare und messbare Ziele: Nutzen Sie klare und messbare Ziele. Das schafft Transparenz und Fokus in der gesamten Organisation.
  3. Strategische Ausrichtung: Kennzahlen sollten eng mit der strategischen Ausrichtung verknüpft sein. Jede Kennzahl sollte dazu beitragen, den Erfolg Ihrer gewählten Strategie zu messen.
  4. Anzahl der Kennzahlen: Sofern Sie nicht bewusst eine aggregierte Kennzahl zusätzlich einführen möchten, oder Kausalitäten aufzeigen möchten, sollten Sie auf möglichst unabhängige Kennzahlen setzen. Wenn sich der gleiche Schluss aus zwei Kennzahlen ableiten lässt, prüfen Sie, ob sie tatsächliche beide benötigen. Entscheiden Sie sich im Zweifelsfall für diejenige, die einfacher zu erheben ist.
  5. Regelmäßige Überprüfung: Setzen Sie sich regelmäßig mit Ihren Zielen und Kennzahlen auseinander. Analysieren Sie den Fortschritt, identifizieren Sie mögliche Abweichungen und passen Sie bei Bedarf Ihre Maßnahmen an.
  6. Flexibilität und Anpassung: Ihr Umfeld kann sich ändern, und damit auch die Bedingungen für das Erreichen Ihrer Ziele. Seien Sie flexibel genug, um Ihre Ziele und Strategien anzupassen, wenn neue Informationen verfügbar sind oder sich Marktbedingungen ändern.
  7. Kommunikation und Motivation: Teilen Sie Ihre Ziele und Fortschritte mit Ihrem Team, Ihrer Organisation und Ihren Stakeholdern und Kunden. Am besten nicht in Form von gesendeten Berichten, sondern in Form von leicht verständlichen Dashboards in den Büros, Fluren oder im Intranet. Dies schafft nicht nur Transparenz, sondern motiviert auch dazu, gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten.
  8. Kontinuierliche Verbesserung: Nutzen Sie die gewonnenen Erkenntnisse, um kontinuierlich an der Verbesserung Ihrer Maßnehmen und Strategien zu arbeiten. Die Analyse von Kennzahlen, kann wertvolle Hinweise auf Optimierungspotentiale geben.

Quellen:

1: Our Vision & Values | Ørsted (orsted.com)

2: Why Are We Called Ørsted? | Ørsted (orsted.com)

3: Unsere grüne Transformation | Ørsted (orsted.de)

4: Capital Markets Day: Ørsted confirms its ambition of ~50 GW renewable capacity by 2030 and strong financial outlook (orsted.com)

5: Ørsted Capital Markets Day 2023 – YouTube

Bildnachweis:
Parradee / stock.adobe.com

Published On: 1. März 2024 / Categories: Organisation, Organisationsentwicklung, Strategie /