In gewisser Weise führen Organisationen über eine gewisse Eigendynamik und entwickeln sich auch ohne gezielte Maßnahmen – Nur leider nicht zwangläufig in die gewünschte Richtung. Durch professionelle Organisationsentwicklung lässt sich Einfluss nehmen. Dabei gibt es ganz unterschiedliche Interpretationen der Aufgaben und Ziele von Organisationsentwicklung. Bei den verschiedenen Blickwinkeln und Rollen der Beteiligten, ist das wenig überraschend. In diesem Artikel teile ich mein Verständnis von Organisationsentwicklung und wie sie gezielt zur positiven Unternehmensentwicklung beiträgt.

Organisation und Entwicklung

In der Deutschen Sprache sind wir gut darin, Worte miteinander zu einem neuen Begriff zu verbinden. So setzt sich der Begriff Organisationsentwicklung aus den beiden Teilen Organisation und Entwicklung zusammen. Daher möchte ich zunächst einmal meinen Blick auf Organisationen darstellen und anschließend darauf eingehen, welche Punkte in der Entwicklung meines Erachtens besonders entscheidend sind.

Unternehmen haben eine Organisation vs. Unternehmen sind Organisationen

Bereits die Interpretation des Begriffes Organisation kann von verschiedenen Standpunkten aus erfolgen: Der Instrumentale Begriff versteht Organisation als Mittel zur Effizienten Führung von Unternehmen – „Das Unternehmen hat eine Organisation“ . Dem gegenüber steht die institutionale Verwendung, die eine Organisation als zielgerichtetes soziales System beschreibt, welches mit eigenen Motiven und Zielen verbunden ist. (vgl. Vahs, 2019)

Wie so oft gilt, dass keine dieser Sichtweisen per se falsch ist. In dem von mir verwendeten Modell lässt sich eine Organisation anhand unterschiedlicher Faktoren beschreiben, welche beide Ansätze vereint. Ich bezeichne diese als Organisationsfaktoren.

Organisationsfaktoren

Da gibt es zum einen die Menschen, die sich innerhalb der Organisation befinden—im Wesentlichen Mitarbeitende, die dazu beitragen, dass das Unternehmen seinen gesellschaftlichen Zweck überhaupt erfüllen kann. Aber auch andere Menschen sind mit der Organisation verbunden. Zum Beispiel Anteilseigner oder Aufsichtsräte.

All diese Menschen sind über eine Struktur miteinander verknüpft. Das umfasst sowohl die formelle Struktur als auch informelle Netzwerke, die zwischen den Menschen vorhanden sind. Selbstverständlich existieren auch  Prozesse—sowohl formal definierte als auch gelebte. Sie beschreiben, wie Wertschöpfung stattfindet und die Art der Arbeitsteilung zur Zielerreichung. Des Weiteren verfügt das Unternehmen über Ressourcen. Das sind Werkzeuge, Anlagevermögen, das im Unternehmen vorhandene Wissen, nutzbare Technologie, Geldmittel, Energie, verfügbare (Arbeits-)zeit und so weiter. Somit ist dieser Faktor vergleichbar mit den klassischen Produktionsfaktoren, erweitert um einen Wissensfaktor.

Darüber hinaus lässt sich die Organisation auch über die gewählte Strategie definieren. Damit ist das Zielbild bzw. der Zielzustand gemeint, an dem sich die Tätigkeiten innerhalb der Organisation orientieren. Auch Teilaspekte wie z.B. Produkt- und Preisstrategien lassen sich hierunter zusammenfassen.

Die Kultur einer Organisation beschreibt die vorhandenen Denk– und Verhaltensmuster sowie Werte und gemeinsame Annahmen und Überzeugungen. Sie zeigt sich insbesondere in der Art und Weise der internen und externen Kommunikation, bei Entscheidungsfindungen und in der Art Herausforderungen anzugehen und Konflikte zu lösen. Die Kultur trägt neben den anderen Faktoren somit ganz Wesentlich zum Erfolg oder Misserfolg von Strategien und der Anpassungsfähigkeit der Organisation bei. All diese Faktoren im Unternehmen stehen zueinander in Wechselwirkung.

Marktfaktoren

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Entwicklung von Organisationen ist das Umfeld bzw. der Markt, in dem sich die Organisation befindet. Auch hier lassen sich wesentliche Faktoren zur Beschreibung finden. Das sind beispielsweise die Gesellschaft, inklusive des Arbeitsmarktes und gesellschaftliche Trends, politische Rahmenbedingungen, verfügbare Technologie bzw. Stand der Technik, die Verfügbarkeit und Kosten von Kapital. Darüber hinaus sind im Umfeld weitere Organisationen vorhanden. Hier sind insbesondere Lieferanten, Kunden, Wettbewerber und Partner, z.B. Vertriebs– oder Entwicklungspartner zu nennen. Auch die externen Faktoren stehen untereinander in Wechselwirkung.

Auf jedes Unternehmen wirken nun äußere Einflüsse ein. Hierzu gibt es mehrere systematische Betrachtungsweisen. Zum Beispiel Porters Five Forces oder die STEP Analyse (mit all ihren Abwandlungen). Ich nutze in meiner Darstellung eine Mischung beider Ansätze und beschreibe das Marktumfeld durch die Faktoren: Politik, Technologie, Gesellschaft, Kapital, Kunden, Lieferanten, Partner und Wettbewerber.

Bei dem Begriff Kapital ist hierbei nicht das Kapital gemeint, das dem Unternehmen in Form von Eigen- und Fremdkapital bereits zur Verfügung steht, sondern Einflüsse wie die Verfügbarkeit von Kapital im Markt (Privates Kapital, Fördermittel, Kredite etc.) sowie die Leichtigkeit des Zugangs und die mit dem Kapitel verbundenen Kosten und Risiken (insbes. Zinsen, Laufzeiten, Wechselkurse)

Dynamik und gegenseitige Wechselwirkungen

Das Organisationsumfeld – und damit die Marktfaktoren – ändert sich fortlaufend. Das hat unmittelbaren Einfluss auf die Organisationsfaktoren. Durch die Veränderung des Umfeldes entstehen Chancen, die Sie nutzen möchten, oder Risiken, die Sie vermeiden oder reduzieren möchten. Auch der gesellschaftliche Einfluss auf den Organisationsfaktor Mensch ist von großer Bedeutung und nimmt Einfluss auf die Wahrnehmung der eigenen Rolle und Ansprüche an die Arbeit innerhalb einer Organisation. Um auf diese Veränderungen zu reagieren, müssen unternehmen die Organisationsfaktoren anpassen, da sich die Marktfaktoren, wenn überhaupt, nur bedingt durch eine Organisation beeinflussen lassen.

Dennoch reagiert die Umwelt auch auf Veränderungen der eigenen Organisation. Wettbewerber und Lieferanten werden auf Veränderungen reagieren (müssen). Auch das politische Umfeld kann durch eine Veränderung in bestimmten Unternehmen oder Branchen beeinflusst werden. Zum Beispiel in Form von staatlicher Unterstützung von Unternehmen in Krisenzeiten. Eine andere Möglichkeit, der Einflussnahme auf die unternehmerische Umwelt sind Werbe- und Marketingmaßnahmen, Lobbyismus und Branchenverbände.

Managementansätze dienen der Regelung des Systems

Insgesamt besteht also eine Wechselwirkung zwischen den einzelnen Unternehmensfaktoren, den einzelnen Marktfaktoren und auch zwischen Markt und Unternehmen. Die Aufgabe der Unternehmensleitung ist es, diese Wechselwirkung wahrzunehmen und entsprechend zu reagieren. Man kann es sich so vorstellen wie bei einem technischen Regelsystem, das kontinuierlich Anpassungen vornimmt, um einen definierten Systemzustand zu erreichen oder zu erhalten.

In Unternehmen sind es die Managementansätze und -Systeme, die diese Regelung übernehmen und die Organisationsfaktoren beeinflussen. Dazu gehören Ansätze wie: Personalmanagement, Qualitätsmanagement, Prozessmanagement, Wissensmanagement, Risikomanagement und viele weitere.

Die Darstellung stellt die Organisations- und Marktfaktoren sowie die Managementansätze dar.

Eine Organisation lässt sich anhand unterschiedlicher Faktoren beschreiben. Die individuelle Ausprägung dieser Faktoren machen Unternehmen einzigartig. Organisationsfaktoren und Marktfaktoren stehen in Wechselwirkung und Management Systeme bilden das regelnde Element der Organisation.

Organisations- und Marktfaktoren sowie Management-Ansätze und -Systeme als wesentliche Elemente der Organisationsentwicklung

Organisationen gezielt entwickeln

Durch die beschriebene Wechselwirkung findet zwangsläufig eine Form der Entwicklung in Organisationen statt. Ziel der professionellen Organisationsentwicklung ist es, diese Veränderungsprozesse zu begleiten. Dies geschieht zum einen durch die Wahrnehmung der Marktfaktoren und das identifizieren der beschriebenen Chancen und Risiken. Basierend hierauf gilt es Hypothesen zu entwickeln: Welche Anpassung der Organisationsfaktoren ist notwendig, um die Organisation in dem gegebenen Umfeld in eine bestmögliche Lage zu bringen? Aus dieser Überlegung entstehen strategische Veränderungsprojekte, die es zu planen und kontrolliert Umzusetzen gilt. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die bisherigen Management Ansätze den neuen Anforderungen genügen bzw. welche Anpassungen notwendig sind.

Wesentliche Erfolgskriterien sind dabei die Geschwindigkeit der Umsetzung, die Nachhaltigkeit der Veränderung, der Gewinn an neuem Wissen, Erkenntnissen und Erfahrungen der Mitarbeitenden sowie eingesetzte Geldmittel und Arbeitszeit.

Erfolgreiche Organisationsentwicklung benötigt also insbesondere ein vollumfängliches Verständnis der Organisation und des Umfeldes, strukturiertes Projekt- und Change Management, den Willen, den Status Quo verändern zu wollen sowie ausreichend Ressourcen. Begünstigt wird es darüber hinaus unter Anderem durch kooperative Zusammenarbeit – unabhängig von Abteilungsgrenzen, stabile Abläufe im Tagesgeschäft, sowie transparente Systeme zur Messung von Fortschritt.

Wenn ich in Projekten der Organisationsentwicklung unterstütze, erfolgt daher immer eine strukturierte Analyse des Vorhabens und der Organisation. Change Readiness Assessments können dieses Vorgehen unterstützen. Wie das geht, habe ich im Beitrag „Ist Ihre Organisation bereit für Veränderung? So Finden Sie es heraus!“ beschrieben.

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Eigene Darstellung

Published On: 30. August 2023 / Categories: Change Management, Organisation /