Sie stehen mit dieser Frage nicht allein. Um die Leistungsfähigkeit von Organisationen zu ermitteln und zu verbessern, gab es im Laufe der Jahre viele unterschiedliche Forschungen, Erkenntnisse, Ansätze und Entwicklungen. Dabei sind diese zunächst einmal sehr unterschiedlich. In der Kombination können sie jedoch wirksam eingesetzt werden. Insbesondere dann, wenn man sich den Grenzen der einzelnen Paradigmen bewusst ist.
Frühe Management Ansätze zur Steigerung der Produktivität
Eine der wegweisenden Ansätze war der Taylorismus, etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er wird auch als Wissenschaftliche Betriebsführung (Scientific Management) bezeichnet. Frederic Winslow Taylor verfolgte den Ansatz, Organisationen mit rein wissenschaftlichen Analysen zu optimieren, um so soziale Probleme zu lösen und „Wohlstand für alle“ zu erreichen. Im Kern zielt das Vorgehen auf die Teilung von Arbeit in kleine, schnell zu wiederholende Tätigkeiten ab, die zentral gesteuert und kontrolliert werden. Ebenso liegt die Annahme zugrunde, dass es einen „einzig richtigen Weg“ zur Arbeitsdurchführung gibt. Durch dessen Vorgabe kann die maximale Produktivität erreicht werden. Dies erlaubt unter anderem eine einfache Vergleichbarkeit von Leistung im Sinne von Stück/Zeit und führte zu Vergütungsmodellen wie Akkordlöhnen. Diese Vorgehensweise sorgte sowohl für gesteigerte Effizienz als auch für Kritik z.B. an der Belastung durch monotone Tätigkeiten. Es folgten Gegenbewegungen und weitere Forschungen.
So brachten die Hawthorne Experimente um 1930 neue empirische Erkenntnisse. In Form von Experimenten wurde gezeigt, dass Produktivität über die Ansätze des Taylorismus hinaus durch positives Arbeitsklima erhöht werden kann. So entstand der Human-Relations Ansatz zur Steigerung von Produktivität. Später entstanden Weiterentwicklungen wie motivationstheoretische Ansätze. Der Begriff „New Work“ entstand übrigens erst später, in den 1980er Jahren, aber wie wir sehen, hat man bereits in den 20er/30er Jahren erkannt, dass das reine Scientific Management seine Grenzen hat. Im Kern legen diese Ansätze den Fokus stärker auf informelle Strukturen der Organisation, während klassische Ansätze sich eher mit der formellen Aufbau- und Ablaufstruktur beschäftigen.
Einordnung von Lean Management
An dieser Stelle möchte ich noch einen kurzen Einschub zum Thema Lean machen. Denn Lean Management ist ebenfalls ein Ansatz zur Steigerung der Produktivität. Er entstand etwas später, etwas Mitte des 20. Jahrhunderts. Im Vergleich zum Scientific Management gibt es jedoch Unterschiede. Lean Management ist eine Weiterentwicklung mit einem etwas anderen Fokus. Neben reiner Effizienz werden einige Erkenntnisse der Human-Relations berücksichtigt. Denn im Lean Management gibt es keine strikte Trennung mehr, zwischen „denen, die es lenken“ und „denen, die es umsetzen“. Vielmehr steht Selbstreflexion und die gemeinsame Suche nach neuen Möglichkeiten, um klüger mit Ressourcen (Zeit und Material) umzugehen und dabei Kundennutzen und Qualität zu maximieren. Im Gegensatz zu vorherigen, zentral organisierten Ansätzen, werden Optimierungen dezentral gesteuert, um der Herausforderung von sich schnell ändernden Märkten zu begegnen.
Hinterfragen Sie Vereinfachungen und Positionen
Zusammenfassend kann man sagen, dass alle der oben genannten Ansätze, Leistungsfähigkeit von einem etwas anderen Standpunkt beleuchten. Ebenso verfolgen alle Ansätze das Ziel, Regeln und Leitlinien aufzustellen, um der Komplexität von Organisationen zu begegnen und die Produktivität zu steigern. Für jeden dieser Ansätze gibt es sowohl bestätigende als auch kritische Untersuchungen und jedem der Ansätze lässt sich ein Stück weit etwas abgewinnen – berücksichtigt man die zugrundeliegenden Annahmen und Grenzen.
So bedient man sich im Scientific Management Vereinfachungen. Diese basieren oft auf der Annahme, dass es eindeutige (aber nicht immer triviale) Zusammenhänge zwischen Ursachen und Wirkungen gibt. Es gibt durchaus (Teil-)Systeme, in denen dies zutrifft und sich auf diese Weise Leistung auch nachhaltig steigern lässt. Beispielsweise wenn es um die Steigerung von Effizienz durch den Einsatz schnellerer Maschinen oder paralleler Fertigung geht. Allerdings hat sich das Organisationsumfeld an vielen Stellen verändert. Das Akronym VUCA (Volatile, Uncertain, Complex, Ambigious) beschreibt dieses Umfeld. In einem komplexen Umfeld gibt es keine eindeutigen Ursache-Wirkung Zusammenhänge. Daher sind Vereinfachungen, die in einem anderen Kontext legitim waren, nicht mehr zutreffend.
Aufgrund dieser Tatsache wäre ein rein personen- und verhaltensorientierter Ansatz, der Produktivität ausschließlich auf der menschenbezogenen Ebene begründet und dabei Strukturen im Sinne von Aufbau- und Ablauforganisation ausblendet, ebenso unzulässig. Sense-Making, Weiterbildungen, persönliche Entwicklung und Coachings können ihren Beitrag zur Steigerung der Leistungsfähigkeit leisten – sind aber nur dann zielführend, wenn die zugrundeliegenden Strukturen es erlauben, hieraus Mehrwerte zu generieren.
Was bedeutet das für die praktische Organisationsentwicklung
Die Erkenntnisse aller oben genannten Ansätze sind als Grundlagen von modernem Organisationsmanagement anzusehen. Die gesamte Komplexität einer Organisation lässt sich jedoch nicht in einer einzigen Theorie zusammenfassen. Organisationstheoretische Ansätze bringen neue Teil-Erkenntnisse hervor, die Sie als Grundlagen für die praktische Organisationsentwicklung nutzen können. Beim Erarbeiten der für Ihre Organisation geltenden Grundsätze ist dann wichtig, dass Ihnen Vereinfachungen und zugrundeliegende Annahmen bewusst sind. Hinterfragen Sie kritisch, in welchem Kontext eine Anwendbarkeit sinnvoll ist.
Im komplexen Umfeld sollte Organisationsentwicklung möglichst viele der vorhandenen Erkenntnisse berücksichtigen. Das betrifft die Möglichkeiten durch technischen Fortschritt, und Erkenntnisse in der Organisationslehre ebenso wie Erkenntnisse der Arbeits- und Personalpsychologie. Neben formellen Organisationsstrukturen müssen auch informelle soziale Strukturen berücksichtigt werden. In der Praxis werden Sie Wechselwirkungen erleben, die nicht eindeutig vorhergesagt werden können.
Schlussendlich gibt es aus diesem Grund auch keine allgemeingültige Handlungsempfehlung für den Erfolg einer Organisation. Die Wechselwirkungen zwischen Unternehmen, Märkten und Kunden sind einfach zu komplex. Organisationswissenschaftliche Ansätze betrachten jeweils nur Teilaspekte der Organisation. Einigkeit herrscht mittlerweile in der Ansicht, dass Erfolg von vielen Faktoren abhängt, die sowohl „technisch“ und „logisch“ als auch „emotional“ „psychologisch“ sind. Seien Sie daher vorsichtig, wenn sie in der Praxis mit Extrempositionen und vermeintlichen Blaupausen konfrontiert werden. Häufig steht hier die Werbewirksamkeit vor der Problemlösung.
Organisationen sind immer zielgerichtet. Erfolg hängt also auch davon ab, was das definierte Ziel Ihrer Organisation ist und anhand welcher Kennzahlen sie Fortschritte beurteilen möchten. Der bewusste Umgang mit den zugrundeliegenden Annahmen ausgewählter Methoden sowie Beobachtung von Veränderungen in Ihrer Organisation spielen dabei eine wichtige Rolle. Die große Kunst besteht also darin zu erkennen, ob die Kombination aus Maßnahmen, Leitlinien und Regeln zum Ziel führt und bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen. Das Aufstellen von Hypothesen, Szenariotechnik und die geeignete Auswahl und Darstellung von Ergebniskriterien sind einige der Hilfsmittel, die Sie hierbei unterstützen können.
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