Als ich angefangen habe, mich mit Prozessmanagement zu beschäftigen, stand ich vor der Frage, wo ich denn nun beginnen soll. Immerhin werden Unternehmen durch eine Vielzahl von Prozessen gestaltet. Und auch heute sehe ich immer wieder, wie sich Prozessverantwortliche schwertun, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken. Die Prozesslandkarte ist ein geeignetes Hilfsmittel, um dem zu Begegnen und mit professionellem Prozessmanagement zu beginnen und in Hinblick auf die Optimierung Ihrer Prozesse wahre Schätze hervorzubringen. Vorausgesetzt, sie wird richtig eingesetzt. Ich möchte hierzu einige Anregungen geben.
Warum die Prozesslandkarte oft zum falschen Zeitpunkt erstellt wird
Die Prozesslandkarte stellt eine abstrakte und übergeordnete Darstellung der unternehmerischen Prozesse dar. Im Wesentlichen sind das Kernprozesse (oder Leistungsprozesse), Unterstützungsprozesse und Managementprozesse (oder Führungsprozesse). Auch wenn Sie möglicherweise noch am Anfang des Prozessmanagements stehen: Prozesse gibt es bereits in Ihrem Unternehmen. Andernfalls würden Sie keine Leistungen an Ihre Kunden vertreiben. In den meisten Unternehmen, in denen noch kein Prozessmanagement eingeführt ist, sind diese lediglich nicht dokumentiert. Beim Einstieg erlebe ich häufig folgendes Vorgehen:
- Es wird je Abteilung eine Person festgelegt, die für die Prozesse der Abteilung zuständig ist
- Die Prozessverantwortlichen beschreiben die bereits gelebten Prozesse – manchmal beschreiben Sie auch eine bereits verbesserte Version der Realität
- Die identifizierten Prozesse werden geclustert und die Prozesslandkarte stellt eine Art „Inhaltsverzeichnis“ der erfassten Prozesse dar
Das Resultat ist eine abteilungsorientierte Übersicht der Prozesse. Die Prozesslandkarte verfolgt jedoch ein anderes Ziel. Sie soll ein abstraktes, aber vollständiges Bild der Prozesse darstellen, mit denen das Unternehmen „funktioniert“. Oder anders ausgedrückt wie Leistung für den Kunden erbracht wird. Und das unabhängig von den ausführenden Abteilungen oder Funktionen. Denn diese sind lediglich ein Mittel zum Zweck, wie ich schon in dem Beitrag „Welche Rollen Sie in Ihrer Organisation wirklich benötigen“ beschrieben habe. Wenn Sie sich bei der Erstellung nicht von Ihren bestehenden Abteilungen lösen, laufen Sie Gefahr, sich bei der Optimierung Ihrer Abläufe von bestehenden Strukturen lähmen zu lassen. Daher empfehle ich auch, mit einer möglichst hohen Flughöhe zu beginnen und den Detailgrad in iterativen Schritten zu erhöhen, statt sich gleich auf jedes Detail in allen möglichen Prozessen gleichzeitig stürzen zu wollen.
Gehen Sie auf Schatzsuche – Aber laufen Sie nicht blind umher
Ist die Prozesslandkarte vollständig, das heißt sind alle Prozesse abgebildet, können Sie den nächsten Schritt angehen. Denken Sie daran, dass zur Vollständigkeit zwar gehört, dass sie wirklich alle Schritte aufnehmen. In der Übersicht sollten sie jedoch nur so detailliert wie nötig und so abstrakt wie möglich dargestellt sein – zumindest für den Moment um Details kümmern wir uns etwas später.
Möglicherweise haben Sie eine sehr große Zahl an Prozessen identifiziert, die sich nicht weiter zusammenfassen lässt. Stellen Sie diese bei Bedarf als Unterprozesse dar. Vermeiden Sie aber, mehr als eine Unterebene zu generieren. Sie sollten mit Hilfe Ihrer Übersicht innerhalb weniger Minuten auch einem Außenstehenden oder neuen Mitarbeitenden erklären zu können, wie ihr Unternehmen funktioniert.
Nun gilt es mit Hilfe der Prozesslandkarte ihre versteckten Schätze zu finden. Das sind die Prozesse, auf die Sie sich im Zuge der Prozessoptimierung vorrangig stürzen werden, da eine Verbesserung in diesen Bereichen einen größtmöglichen Kundennutzen stiftet. Hierzu identifizieren Sie die sogenannten Schlüsselprozesse. Das sind die Prozesse, die für das Kundenerlebnis und damit für den Erfolg des Unternehmens von größter Bedeutung sind. Beschränken Sie sich am besten zunächst auf die Hauptprozesse und gehen Sie noch nicht zu sehr ins Detail der von Ihnen identifizierten Sub-Prozesse.
An dieser Stelle noch ein wichtiger Hinweis: Denken Sie daran, dass auch Ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kunden einzelner Prozesse sein können. Das trifft insbesondere auf die Management- und Unterstützungsprozesse zu. Lassen Sie nicht zu, dass sich Ihre Mitarbeitenden über schlecht laufende interne Abläufe ärgern müssen. Eine solche Unzufriedenheit wird die Performance Ihres Unternehmens nämlich ebenfalls einschränken. Schlüsselprozesse lassen sich also auch jenseits der Kern- bzw. Leistungsprozesse finden.
Graben Sie an der richtigen Stelle und erhöhen Sie dabei den Detailgrad
Nun, wo sie identifiziert haben, welche Prozesse einen wirklichen Impact auf Ihre Unternehmensperformance und die Kundenzufriedenheit haben, sollten Sie noch einen Schritt weiter gehen – und sozusagen damit beginnen, an der richtigen Stelle zu graben. Wann und wo kommt es in den Schlüsselprozessen oft zu Unklarheiten oder Fehlern? Welche der Schlüsselprozesse laufen bereits gut?
Ich bin der Meinung, dass man auch gut funktionierende Prozesse immer noch weiter verbessern kann. Allerdings wird eine Verbesserung aufwendiger und der Mehrwert möglicherweise geringer ausfallen. Im Gegensatz dazu können Sie bei Prozessen, die offensichtlich noch nicht optimal sind, Quick Wins erzeugen. Im Zuge des Change Managements, das mit der Einführung des Prozessmanagements bzw. der Anpassung ihrer Prozesse einhergeht, wird Ihnen das große Vorteile einbringen. Die identifizierten Schlüsselprozesses sind auch diejenigen, mit denen Sie als erstes fortfahren, wenn es darum geht, noch mehr Details in Ihre Prozessdokumentation zu bringen.
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