Gute Ideen bleiben oft für lange Zeit unbemerkt – und das trotz des betrieblichen Vorschlagswesens. Nicht selten entstehen Innovation und smarte Lösungen innerhalb von Abteilungen oder kleinen Arbeitsgruppen, ohne dass ein strukturiertes Projekt zugrunde liegt. Solche „Guerilla Innovationen“ besitzen großes Potential, aber auch Risiken für die Digitalisierungsstrategie.
Am Anfang war das Problem
In einem anderen Beitrag hatte ich schonmal darüber geschrieben, dass Innovationen dann entstehen, wenn es eine zugrundeliegende Aufgabenstellung zu lösen gilt. Ebenso benötigt es Zeit und Wissen für die Lösung. Vor kurzem unterhielt ich mich mit einer Gruppe von Führungskräften darüber, wie sie die Innovationskraft ihrer Teams neben der Erledigung des Tagesgeschäfts bewerten. Von einer Teilnehmerin kam folgende Aussage.
„Wenn die Belastung im Tagesgeschäft es zulässt, kommen schon sehr innovative Vorschläge. Erst vor kurzem zeigte mir ein Mitarbeiter eine von ihm gestaltete Excel Tabelle mit Formeln und Scripten. Er hatte diese erstellt, um seine regelmäßigen Auswertungen zu automatisieren. Mir war gar nicht bewusst, dass er sowas kann.“
Diese Aussage veranschaulicht, wie schnell innerhalb von Organisationseinheiten Lösungen entstehen, an die man im Management noch gar nicht gedacht hat.
Ich bezeichne diese Lösungen, die zunächst verborgen vor der Führungsriege und dem Rest des Unternehmens in kleinem Kreise entstehen Guerilla Innovationen.
Guerilla Innovationen frühzeitig erkennen und Nutzen
Diese Art der Innovation hat einen ganz entscheidenden Vorteil. Sie wurde von Mitarbeitenden selbst hervorgebracht. Dies erhöht die Bedürfnisorientierung der Lösung. Und selbst wenn die Lösung im ersten Ansatz noch nicht optimal ist, können sie davon ausgehen, dass das zugrundeliegende Problem im Zentrum der Aufgabenstellung steht. Folglich müssen Sie wesentlich weniger Überzeugungsarbeit leisten, um Veränderung und Akzeptanz zu fördern. An dieser Stelle sollten Sie vielmehr weitere Chancen ergreifen. Ermöglichen Sie, dass die gefundene Lösung weiter verfolgt wird. Kann sie noch optimiert werden? Lässt sie sich noch auf andere Bereiche übertragen? Um diese Fragen zu beantworten kann es auch sinnvoll sein, einen noch größeren Kreis an dieser Idee teilhaben zu lassen.
Selbstverständlich ist diese Form der „wilden Innovation“ auch mit gewissen Risiken verbunden. Insbesondere dann, wenn es nicht gelingt, die Ideen frühzeitig zu erkennen, zu fördern oder zu verwerfen.
Interdisziplinäre Teams und vorhandenes Wissen nutzen
Eine der möglichen Probleme entsteht dadurch, dass Lösungsideen zu lange in einem zu kleinen Kreis verweilen und diskutiert werden, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Um effizienter zum Ziel zu kommen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. So kann der Blick von außen, zum Beispiel durch andere Abteilungen, sowie das Wissen und die Erfahrung von anderen Mitarbeitenden positive Effekte bewirken. Daher sollte ein Umfeld gefördert werden, welches es erlaubt, Innovationen so offen und zugänglich wie möglich zu gestalten. Dies lässt sich z.B. durch digitale Plattformen zur Zusammenarbeit an Ideen realisieren. Auch interdisziplinäre und wechselnde Arbeitsgruppen, die sich gezielt mit dem Thema Innovation beschäftigen realisieren.
Vermeiden Sie es, Ideen zu Insellösungen werden zu lassen
Ein weiteres Risiko bei zu spät entdeckter und unzureichend kommunizierter Guerilla Innovation ist die Entstehung von Insellösungen. Verbesserungspotential gibt es in jedem Organisationsbereich. Gleiches gilt für smarte Lösungsansätze. Zum Problem wird dies, sobald Bereiche nicht mehr in der Lage sind, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken. Die Gründe hierfür gehen reichen von hoher Belastung im Tagesgeschäft, über Desinteresse bis hin zu divergenten Zielen zwischen Unternehmensbereichen. Wenn Ideen und Lösungsansätze nur die eigenen Probleme lösen und nicht ausreichend in den Kontext der gesamten Wertschöpfung und unternehmerischen Prozesslandschaft gestellt werden, kommt es häufig zu Insellösungen.
Solche gruppen- oder abteilungsindividuelle Lösungen sorgen aus meiner Erfahrung häufig für erhöhte Aufwände an den Schnittstellen. Zudem erschweren bereits etablierte Insellösungen weitreichende Veränderungsvorhaben wie beispielsweise eine unternehmensweite Digitalisierungsstrategie oder die Einführung von datengestützter Software zur Unternehmenssteuerung und Entscheidungsfindung.
Die Grenzen des klassischen Vorschlagswesens
In vielen Unternehmen gibt es bereits Systeme zum Vorschlagen von Verbesserungen. Ich erlebe jedoch häufig, dass viele Systeme nicht dazu führen, dass das volle Innovationspotential genutzt wird. Hier ein paar Ideen, wie Sie Ihr Vorschlagswesen auf den Prüfstand stellen können: Zunächst sollten Sie betrachten, wie häufig und von welchem Anteil der Belegschaft das System genutzt wird. Lässt die Beteiligung noch zu wünschen übrig, ist ein erster wichtiger Schritt, den Grund hierfür zu ermitteln. Muss das System vereinfach werden oder müssen andere Anreize geschaffen werden? Vielleicht ist das System auch einem Großteil der Mitarbeitenden unbekannt.
Ist die Beteiligung auf einem guten Niveau, lohnt sich darüber hinaus auch der Blick in den weiteren Prozessablauf. Werden eingereichte Vorschläge lediglich von einem Gremium bewertet und zu Abschluss mit einem Preis versehen, bleibt viel Potential ungenutzt. Häufig erlebe ich, dass die Ideengeber in irgendeiner Form belohnt werden, andere Unternehmensbereiche aber nicht oder nur zufällig von erfolgreichen Verbesserungen hören.
Denken Sie darüber nach, wie Sie aus dem Innovationspotential Ihrer Teams mehr herausholen können. Hierbei hilft es, gute Ideen für möglichst viele Personen zugänglich zu machen und schrittweise weiterzuentwickeln.
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