Die besten Einfälle kommen uns immer unter der Dusche, oder? Naja – ganz falsch ist diese Aussage vielleicht nicht. Ich möchte dennoch gerne genauer darauf eingehen, wie Innovation gefördert werden kann und warum kleine Veränderungen uns häufig größeren Mehrwert bringen als die Suche nach der bahnbrechenden Neuerung.

Was große und kleine Innovationen unterscheidet

Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, wann eine Innovation tatsächlich als solche bezeichnet werden kann und sich von einer Idee oder einer Erfindung abhebt. Ich möchte es an dieser Stelle zunächst einfach halten und orientiere mich an der ursprünglichen lateinischen Wortherkunft. Somit wäre eine Innovation etwas, was eine Neuerung darstellt. Und damit gibt es schon die erste wichtige Erkenntnis: Ob eine Idee wirklich neu ist, hängt vom Standpunkt ab.

Ich unterscheide Innovationen in diesem Beitrag anhand ihres Neuheitsgrades bzw. ihres Impacts in fünf Kategorien, die in der abgebildeten Pyramide dargestellt sind:

Tragweite von Innovation

Dieser Logik folgend, ist eine „persönliche Innovation“ etwas Neues für mich oder einen kleinen Personenkreis und löst ein Problem des betroffenen Personenkreises. Für andere Personengruppen muss diese Innovation keinen Neuheitsgrad oder Relevanz haben. Eine Unternehmens-Innovation kann beispielsweise die Einführung von OKR (Objectives Key Results) als Management Methode sein. Das Unternehmen und deren Führungskräfte haben OKR selbstverständlich nicht erfunden, dennoch stellt diese Änderung einen Neuheitsgrad für das Unternehmen dar. Andererseits gibt es auch eine Vielzahl von Unternehmen, für die diese Methodik keine Relevanz hat, da sie nicht zur Organisation oder dem Geschäftsmodell passt. Beispiele für bahnbrechende Innovationen mit großer gesellschaftlicher und weltweiter Tragweite sind u.a. die Erfindung des Otto-Motors oder des Buchdrucks.

Selbstverständlich nimmt die Anzahl der Innovationen von der Basis der Pyramide zur Spitze hin ab – oder anders ausgedrückt: Die Chance, mit einer Innovationen, in seinem eigenen, direkten Wirkungsbereich Verbesserung herbeizuführen ist weitaus größer, als die ganze Welt zu verändern. Ein Blick in die Statistik verdeutlicht es: Während der letzten 5 Jahre wurden in Deutschland durchschnittlich ca. 64.400 Patente angemeldet. In Summe sind das mehr als 323.000 Erfindungen. Ich glaube es ist offensichtlich, dass nicht all diese Erfindungen bahnbrechenden Charakter haben, geschweige denn zu marktfähigen Lösungen wurden. Ebenso sind sicherlich nicht alle persönlichen- und Unternehmensinnovationen zum Patent angemeldet, da diesen Innovationen häufig der Neuheitsgrad für eine Anmeldung fehlt.

Was große und kleine Innovationen gemeinsam haben

Egal, welche Tragweite unsere Idee haben mag, Innovative Ideen kommen uns dann, wenn die folgenden Bedingungen gegeben sind:

  • Es gibt eine zugrundeliegende Aufgabenstellung
  • Wir müssen kreativ denken
  • Das Wissen bzw. Fähigkeiten und Technologie zur Problemlösung sind vorhanden
  • Wir haben Zeit, um uns mit der Problemlösung zu beschäftigen

Wir wissen jetzt bereits, dass die zugrundeliegende Aufgabe muss nicht zwangsweise mit einem bisher ungelösten Problem einhergehen. Auch kleine Störfaktoren oder der Wunsch nach einem besseren Ergebnis können uns Anregen, über neue Ansätze nachzudenken.

Zum kreativen Denken muss unser Gehirn angeregt werden. Wie das funktionieren kann? Nun, dazu gibt es verschiedenste Studien und Modelle. Auf all die verschiedenen Möglichkeiten einzugehen würde den Rahmen dieses Beitrags bei weitem sprengen. Ich werde daher einzelne Ansätze in zukünftigen Beiträgen näher erläutern und gegenüberstellen.

Als Wissen bzw. Fähigkeit ist zumindest das Wissen vorausgesetzt, dass es uns erlaubt zu bewerten, ob eine Idee funktioniert oder nicht.

Und zu guter Letzt brauchen wir noch Zeit, in der wir uns mit unserer Lösung beschäftigen können. Manchmal ist es nur der Bruchteil einer Sekunde, den wir für den Geistesblitz benötigen. Manchmal braucht es etwas mehr Zeit. Zum Beispiel um einmal ein wenig auszuprobieren, bevor eine brauchbare Innovation gefunden wird.

Von einem selbstklebenden Lesezeichen in die Büros der Welt

Ich möchte die Ideen oben am Beispiel der wohl weltweit bekannten selbstklebenden Post-it® Notizzettel verdeutlichen. Die ursprüngliche Aufgabenstellung bei 3M war die Suche nach einem Superkleber, der stärker haften sollte als alle bisher dagewesenen Klebstoffe. Dieser Versuch endete mit einer Art Pinnwand, auf die eine klebrigen Masse aufgetragen war, so dass man hieran Zettel befestigen und rückstandlos wieder entfernen konnte.

Einige Jahre später ärgerte sich einer der Miterfinder, Art Fry, welcher auch Mitglied in einem Kirchenchor war,  darüber, dass seine Lesezeichen immer wieder aus dem Gesangbuch fielen. Er erinnerte sich an die Ergebnisse der missglückten Suche nach dem Superkleber. Statt den Kleber aber auf eine Wand aufzubringen, trug er ihn auf das Lesezeichen auf. Sein persönliches Problem war gelöst und die Haftnotizen nahmen einige Zeit später ihren Einzug in Büros auf der ganzen Welt.

Art Fry’s zugrundeliegendes Problem war das ständige herausfallen seines Lesezeichens. In einem Moment der Kreativität überkam ihn ein Geistesblitz. Mit dem Wissen über die Existenz eines Klebstoffes, der das Rückstandlose lösen von Papier ermöglichte, gelang ihm eine einfache, aber bahnbrechende persönliche Erfindung, die später weltweit für einen Mehrwert in vielen Büros gesorgt hat.

Innovationen als Grundlage für weitere Innovation

Das Prinzip funktioniert übrigens auch andersherum: So können Innovationen, die weiter oben auf der gezeigten Pyramide einzuordnen sind als Wegbereiter für Innovationen mit weniger Tragweite sein. Ebenso können Innovationen aus einer Branche neue Erfindungen in anderen Branchen ermöglichen. Innovationen in der Halbleiterfertigung beispielsweise sind die Grundlage für die Herstellung neuer integrierter Schaltkreise. Diese wiederum sind Grundlage von Innovationen in weiteren Branchen, wie zum Beispiel der Sensorik, Robotik und Automatisierungstechnik.

Wie wir diese Erkenntnisse für Innovation im Unternehmen nutzen können

Das kleine Beispiel oben zeigt, dass wir uns manchmal bei der Suche nach der ultimativen Verbesserung verrennen. Unternehmen sollten nicht versuchen, Innovation auf höchstem Niveau einzufordern. Vielmehr sind es die Freiräume, die es Mitarbeitenden erlauben, ihre eigenen persönlichen Aufgabenstellungen innovativ zu lösen. Die Aufgabe des Managements muss es sein, Prozesse und Strukturen im Unternehmen zu etablieren, die solche kreativen Freiräume zulassen und fördern. In den meisten Fällen nähern wir uns Schritt für Schritt zum nächsten großen Meilenstein. Diese Annahme ist übrigens auch die Grundlage des Lean Management und agiler Methoden.

Daher ist es wichtig, auch die kleinen Innovationen wahrzunehmen und weiterzuentwickeln. Hierfür müssen Experimente und damit einhergehende Fehlschläge bewusst in Kauf genommen werden. Die erarbeiteten Ideen gilt es zu bewerten, weiter zu verfolgen oder (zunächst) zu verwerfen. Beachten Sie aber, dass Ideen nicht verloren gehen sollten. Scheinbare Misserfolge können zu anderen Zeiten aufgrund neuer Umstände, Erkenntnisse oder technischer Möglichkeiten, also Innovationen auf anderer Ebene, durchaus wieder an Potenzial gewinnen. Außerdem vermeidet eine sinnvolle Archivierung, Zeit damit zu verschwenden, den gleichen Gedanken erneut zu entwickeln. Digitale Lösungen können das Wissensmanagement sinnvoll ergänzen.

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Published On: 25. September 2022 / Categories: Innovation /